Law2Ride
In unserer Rubrik Law2Ride findet ihr rechtliche Erläuterungen zum Thema Motorrad von unserem Vereinsmitglied Johannes Berg aus Kaiserslautern, der seine Brötchen als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht verdient und in seiner Freizeit sowohl auf Straße als auch Rennstrecke leidenschaftlich Motorrad fährt.
Zu jedem Thema geben wir immer eine knappe und klare Antwort auf die Fragestellung. Wer es ganz genau wissen will, kann in der Detailebene weitere Informationen, Fundstellen aus Gesetz und Rechtsprechung sowie Nachweise aus der Fachliteratur finden.
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Erlöschen der Betriebserlaubnis
Erlöschen der Betriebserlaubnis
Eine Betriebserlaubnis ist die behördliche Feststellung, dass ein Fahrzeug vorschriftsmäßig ist. Deshalb kann man davon ausgehen, dass jedes unveränderte Motorrad, das vom Hersteller für die Zulassung im Straßenverkehr angeboten wird, auch über eine Betriebserlaubnis verfügt, § 19 Abs. 1 StVZO.
Die Betriebserlaubnis kann jedoch gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 StVZO durch nicht genehmigte Änderungen am Fahrzeug erlöschen. Gemeint sind dabei aber nur aktive Änderungen und Umbauten am Fahrzeug, nicht Verschleiß oder unfallbedingte Beschädigung (OLG Karlsruhe Beschluss vom 8. 2. 2006 - 1 Ss 30/05 = NStZ-RR 2006, 187). Insoweit erlischt die Betriebserlaubnis bei
• der Änderung der Fahrzeugart gem. § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StVZO (z.B. 125ccm auf 150ccm aufgebohrt - aus dem Leichtkraftrad wird ein Kraftrad)
• die Gefährdung von Verkehrsteilnehmern gem. § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StVZO (z.B.l bei Montage von nicht zugelassenen Billig-Bremshebeln aus Fensteraluminium, die beim ersten kräftigen Zugreifen abbrechen können) oder
• einer Verschlechterung des Abgas- oder Geräuschverhaltens gem. § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO (z.B. bei Montage einer Komplett-Abgasanlage ohne vorgesehenen Katalysator).
Die Vorschrift des § 19 StVZO dürfte zu den unübersichtlichsten und mit Abstand für Laien unverständlichsten Vorschriften des deutschen Rechts gehören. Daher betrifft die nachfolgende Darstellung nur das Erlöschen der Betriebserlaubnis ohne Rechtsfolgen und ist stark vereinfacht. Grund für das Chaos ist, dass die Norm sich eigentlich weniger an Fahrer und Halter, als vielmehr an Hersteller, Importeure und Fachbetriebe richtet.
Die Regelung zum Erlöschen der Betriebserlaubnis in Abs. 2 lautet (auszugsweise):
„(2) Die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs bleibt, wenn sie nicht ausdrücklich entzogen wird, bis zu seiner endgültigen Außerbetriebsetzung wirksam. Sie erlischt, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die die in der Betriebserlaubnis genehmigte Fahrzeugart geändert wird, eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist oder das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird. […].“Die Erfassung der Änderung der Fahrzeugart ist erforderlich, da das Zulassungsverfahren über technische Aspekte hinaus auch die steuerliche Behandlung, die erforderliche Fahrerlaubnis, vorgeschriebene Untersuchungsfristen bei der Hauptuntersuchung und bestimmte Verhaltensvorschriften betrifft (MüKo StVR/Meyer, 1. Aufl. 2016, § 19 StVZO Rn. 41).
Besondere Schwierigkeiten bereiten Umbauten, die eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern erwarten lassen. Erforderlich ist insoweit ein gewisses Maß an Wahrscheinlichkeit. Eine konkrete Gefahr ist jedoch nicht erforderlich. Dazu gleich noch mehr.
Schließlich erlischt die Betriebserlaubnis durch eine Verschlechterung des Abgas- oder Geräuschverhaltens, also eine Erhöhung der Abgas- oder Geräuschemission.In Abs. 3 finden sich Ausnahmeregelungen betreffend die Gefährdungsvariante in Abs. 2 Nr. 2. Liegt für eine Änderung am Fahrzeug etwa eine ABE oder EG-Typengenehmigung vor, besteht die Betriebserlaubnis weiter. Schon an dieser Stelle ist zu erkennen, dass die eigentliche Problematik des Erlöschens der Betriebserlaubnis darin besteht, Fahrzeugänderungen technisch korrekt zu beurteilen. Ein Bremshebel, für den eine ABE besteht, ist schon kein Umbau, der eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer im Sinne des Abs. 2 Nr. 2 erwarten lässt. Die Ausnahmevorschrift des Abs. 3 soll also diesbezüglich die Rechtsanwendung in der polizeilichen Praxis erleichtern und Klarheit schaffen. Nachweisunterlagen wie ABE usw. müssen mitgeführt werden (Abs .4 ).
Äußerst schwierig sind demgegenüber Fälle, in denen etwa eine Änderungsabnahme durch eine Prüfstelle erfolgen muss. Die Vorschrift des Abs. 3 lautet insoweit:„(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 2 erlischt die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs jedoch nicht, wenn bei Änderungen durch Ein- oder Anbau von Teilen
1. für diese Teile
a) eine Betriebserlaubnis nach § 22 oder eine Bauartgenehmigung nach § 22a erteilt worden ist oder
b) der nachträgliche Ein- oder Anbau im Rahmen einer Betriebserlaubnis oder eines Nachtrags dazu für das Fahrzeug nach § 20 oder § 21 genehmigt worden ist
und die Wirksamkeit der Betriebserlaubnis, der Bauartgenehmigung oder der Genehmigung nicht von der Abnahme des Ein- oder Anbaus abhängig gemacht worden ist oder2. für diese Teile
a) eine EWG-Betriebserlaubnis, eine EWG-Bauartgenehmigung oder eine EG-Typgenehmigung nach Europäischem Gemeinschaftsrecht oder
b) eine Genehmigung nach Regelungen in der jeweiligen Fassung entsprechend dem Übereinkommen vom 20. März 1958 über die Annahme einheitlicher Bedingungen für die Genehmigung der Ausrüstungsgegenstände und Teile von Kraftfahrzeugen und über die gegenseitige Anerkennung der Genehmigung (BGBl. 1965 II S. 857, 858), soweit diese von der Bundesrepublik Deutschland angewendet werden,
erteilt worden ist und eventuelle Einschränkungen oder Einbauanweisungen beachtet sind oder3. die Wirksamkeit der Betriebserlaubnis, der Bauartgenehmigung oder der Genehmigung dieser Teile nach Nummer 1 Buchstabe a oder b von einer Abnahme des Ein- oder Anbaus abhängig gemacht ist und die Abnahme unverzüglich durchgeführt und nach § 22 Absatz 1 Satz 5, auch in Verbindung mit § 22a Absatz 1a, bestätigt worden ist oder
4. für diese Teile
a) die Identität mit einem Teil gegeben ist, für das ein Gutachten eines Technischen Dienstes nach Anlage XIX über die Vorschriftsmäßigkeit eines Fahrzeugs bei bestimmungsgemäßem Ein- oder Anbau dieser Teile (Teilegutachten) vorliegt,
b) der im Gutachten angegebene Verwendungsbereich eingehalten wird und
c) die Abnahme des Ein- oder Anbaus unverzüglich durch einen amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr oder durch einen Kraftfahrzeugsachverständigen oder Angestellten nach Nummer 4 der Anlage VIIIb durchgeführt und der ordnungsgemäße Ein- oder Anbau entsprechend § 22 Absatz 1 Satz 5 bestätigt worden ist; § 22 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.“Werden bei Teilen nach Nummer 1 oder 2 in der Betriebserlaubnis, der Bauartgenehmigung oder der Genehmigung aufgeführte Einschränkungen oder Einbauanweisungen nicht eingehalten, erlischt die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs.
Bislang ist existiert keine gefestigte Rechtsprechung der Obergerichte zu dieser Frage und die Meinungen in der Fachliteratur gehen erheblich auseinander. Etwa Bernd Huppertz nimmt an, dass die Formulierung „so erlischt die Betriebserlaubnis“ in Abs. 3 Nr. 4 StVZO entgegen Abs. 2 eine eigenständige Regelung enthalte und bewirke, dass bei einem Fahrzeugteil mit Teilegutachten die Betriebserlaubnis unabhängig von einer Gefährdung bereits dann erlösche, wenn nicht unverzüglich eine Änderungsabnahme durchgeführt werde (SVR 2009, 321, 324). Wir teilen diese Auffassung nicht. Nach unserem Verständnis ist der Wortlaut „so erlischt die Betriebserlaubnis“ dahingehend zu verstehen, dass eine Gegenausnahme zum Ausnahmetatbestand des Abs. 3 normiert werden soll. Dafür spricht bereits systematisch, dass es sich bei den übrigen Tatbeständen des Abs. 3 ebenfalls um Ausnahmetatbestände von der Regelung zum Erlöschen der Betriebserlaubnis nach Abs. 2 handelt. Darüber hinaus ist es Sinn und Zweck der Regelung in Abs. 2, sämtliche Fälle des Erlöschens der Betriebserlaubnis zu erfassen. Wie ausgeführt hat Abs. 3 mit seinen Ausnahmetatbeständen in vielerlei Situationen lediglich den Zweck, die Rechtsanwendung zu erleichtern. Gleicher Auffassung ist nunmehr auch der Bundesgerichtshof, wo allerdings „lediglich“ ein Zivilsenat die Frage ohne Bindungswirkung für die für Ordnungswidrigkeiten und verwaltungsrechtlich relevanten Fragestellungen zuständigen Gerichte entschieden hat (BGH, Urteil vom 11.12.2019 – VIII ZR 361/18 = NJW 2020, 1287).Eine Änderungsabnahme zu unterlassen ist allerdings aus gerade diesem Grund keine gute Idee. Kann nämlich vor Ort nicht beurteilt werden, ob die Betriebserlaubnis erloschen ist, wird eure Fahrt zu Ende sein.
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Freihändig fahren und Beine ausschütteln?!
Freihändig fahren und Beine ausschütteln?!
23 Abs. 3 StVO verbietet das freihändige Fahren und darüber hinaus, die Füße von den Rasten zu nehmen. Es drohen (theoretisch) Verwarngelder von 5,00 Euro.
Die Vorschrift, die auch für Fahrradfahrer gilt, verbietet Verhaltensweisen, die vor über 100 Jahren abstrakte gefährlich gewesen sein mögen (MüKo StVR/Kettler, 1. Aufl. 2016, § 23 StVO Rn. 17). Tatsächlich ist die Norm erdacht worden, bevor Ernst Sachs im Jahr 1889 (!) den Fahrradfreilauf erfunden hatte und sich am Fahrrad die Pedale bei schnellerer Fahrt weitergedreht haben.
Auch im Übrigen wirkt die Vorschrift keineswegs ausgeklügelt. Während freihändiges Fahren bußgeldrechtlich geahndet werden kann, soll es – solange es nicht zu Gefährdungen anderer kommt – unproblematisch sein, mit der linken Hand während der Fahrt ein Fischbrötchen zu essen und dabei Wheelies zu fahren (OLG Hamm, Urteil vom 25.6.1991 - 2757/91 = NZV 1992, 318 – bitte nicht ausprobieren!).
Kurzum: die Regelung will nicht ernstgenommen werden (MüKo/Kettler a.a.O. Rn. 18).
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Motorradschutzkleidung Pflicht?
Motorradschutzkleidung Pflicht?
Über das Bestehen einer Helmpflicht nach § 21a StVO hinaus existiert keine gesetzliche Verpflichtung dazu, Motorradschutzkleidung zu tragen. Ein Bußgeld wird demnach im Gegensatz zu anderen Ländern nicht verhängt.
Kommt es aber zum Unfall, bejahen Teile der Rechtsprechung eine Obliegenheit zum Tragen von Schutzkleidung, sodass der Unfallgegner sich auf ein Mitverschulden beim Nichttragen dieser Schutzkleidung berufen kann, sofern gerade das Fehlen der Schutzkleidung die konkreten Verletzungen verursacht hat (OLG Düsseldorf, Teil- und Grundurteil vom 24.9.2019-1 U 82/18 = BeckRS 2019, 31183; OLG München, Endurteil vom 19.5.2017 – 10 U 4256/16 = BeckRS 2017, 112372).
Eine solche Obliegenheit begründet die Rechtsprechung überwiegend mit einem allgemeinen Verkehrsbewusstsein, was eigentlich erst dann der Fall ist, wenn mehr als 50 % der betroffenen Verkehrsteilnehmer Schutzkleidung trägt (OLG Düsseldorf a.a.O.). Nach einer Statistik der Bundesanstalt für Straßenwesen trugen im Jahr 2021 innerorts nur 45,9 % der motorisierten Zweiradfahrer ergänzend zum Helm Schutzkleidung. Lediglich 24,6 % trugen komplette Schutzkleidung (BeckOK StVR/Türpe, 16. Edition 15.7.2022 § 21a StVO Rn. 53). In der Folge lehnen andere Gerichte ein Mitverschulden ab. Wie das jeweils zuständige Gericht entscheidet, ist allerdings kaum vorauszusehen.
So sprach das Oberlandesgericht Brandenburg mit Urteil vom 23.7.2009 einem „abgeschossenen“ Motorradfahrer mit Ausrissbruch des linken Schienbeins, tiefen Riss- und Quetschwunden oberhalb und unterhalb der Kniescheibe, 6 Wochen stationärer Krankenhausbehandlung mit Hauttransplantation und bleibender Vernarbung am Unterschenkel sowie 4-monatiger Arbeitsunfähigkeit ein Schmerzensgeld von nur 14.000,00 € zu, weil der Motorradfahrer keine Schutzkleidung an den Beinen getragen hatte (12 U 29/09 = BeckRS 2009, 23345).Es bleibt also jedem selbst überlassen, wobei Vorsicht unter allen Umständen besser als Nachsicht ist.
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Powercommander
Powercommander
Der Gebrauch eines Powercommanders ist im öffentlichen Straßenverkehr nicht zulässig. Er bewirkt das Erlöschen der Betriebserlaubnis und die Verhängung eines Bußgeldes.
Ein Powercommander wird als elektronisches Steuermodul zusätzlich zum Seriensteuergerät des Motorrades verbaut und erlaubt, das serienmäßige Kennfeld der Einspritzung zu verändern. Ziel ist es, eine bessere, sauberere Gasannahme, ein direktes Ansprechverhalten und eine Leistungsoptimierung zu erreichen. Darin liegt eine Verschlechterung des Abgas- oder Geräuschverhaltens im Sinne § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO, wodurch die Betriebserlaubnis erlischt. Dass sich der Wirkungsgrad der Kraftstoffverbrennung dabei (theoretisch) erhöht, spielt für die Frage des Emissionsausstoßes keine Rolle. Also: auf der Rennstrecke ja, auf der Straße nein.
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Ist ein verspiegeltes Visier legal?
Ist ein verspiegeltes Visier legal?
Tagsüber ist es erlaubt, sowohl leicht getönte, stark getönte als auch verspiegelte Visiere zu benutzen. Ist die Sonne untergegangen, müsst ihr auf ein transparentes Visier wechseln. Ansonsten droht ein Bußgeld von 15,00 Euro.
Eine ausdrückliche Regelung zum Visier findet sich im Gesetz nicht. Einziger Bezugspunkt ist die allgemeine Vorschrift zum Tragen von Schutzhelmen in § 21a Abs. 2 S. 1 StVO, der lautet:
„Wer Krafträder oder offene drei- oder mehrrädrige Kraftfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h führt sowie auf oder in ihnen mitfährt, muss während der Fahrt einen geeigneten Schutzhelm tragen.“
Geeignet sind genehmigte Helme und Visiere (BeckOK StVR/Schenke, 16. Ed. 15.7.2022, StVO § 21a Rn. 11). Die Genehmigung für das Visier ist immer am äußeren Rand ablesbar. Dort findet sich bei getönten und verspiegelten Visieren gewöhnlich auch der Hinweis „daytime use only“, also die Beschränkung der Genehmigung auf den Einsatz bei Tageslicht.
Grundsätzlich nicht zulässig ist es demgegenüber, Tönung oder Verspiegelung durch Auftragen von Folien oder Sprühlacken selbst vorzunehmen. An der Eignung eines Helmes fehlt es auch dann, wenn dieser beschädigt ist oder so schlecht passt, dass er keinen ausreichenden Schutz bietet (MüKoStVR/Asholt, 1. Aufl. 2016, StVO § 21a Rn. 10).
Im Tragen eines verspiegelten Visiers liegt auch kein Verstoß gegen das Verhüllungsverbot für Kraftfahrzeugführer. Zwar bestimmt § 23 Abs. 4 S. 1 StVO:
„Wer ein Kraftfahrzeug führt, darf sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass er nicht mehr erkennbar ist.“.
Davon gilt jedoch für die Helmpflicht eine ausdrückliche Ausnahme nach § 23 Abs. 4 S. 2 StVO:
„Dies gilt nicht in Fällen des § 21a Abs. 2 S. 1.“.